Traditionelles Begrüßungsritual

 

Die im Folgenden beschriebene Zeremonie ist jene wie sie traditionell im Union Karateclub NIHON praktiziert wird.

Sobald der Meister oder ein von ihm autorisierter Sempai den Beginn des Trainings zu erkennen gibt, stellen sich Meister und Schüler frontal zueinander auf und nehmen den Stand Musubi-Dachi ein (Bereitschaftsstellung mit geschlossenen Fersen, die Füße werden fünfundvierzig Grad nach außen gerichtet).

Die Schüler bilden eine nach Gürtelfarben aufsteigend geordnete Reihe, von den Weißgürteln zur Linken bis zu den Schwarzgürteln zur Rechten. Die Reihe richtet sich nach rechts nach den höchstgraduierten Senpai aus. Dabei achten die Schüler darauf, dass ihre Zehen nicht die gedankliche Linie überschreiten, die der Sempai vorgegeben hat; denn dies käme einer Herausforderung des Sempai gleich.

Als Nächstes geht der Sempai einen Schritt vor, dreht sich neunzig Grad nach links, sodass er die ganze Reihe gut im Blickfeld hat. Dies ist der Platz des Sempai, der von hier aus guten Blickkontakt zu Sensei und Kohai hat.

Erst wenn sich der Meister zur Begrüßung hinkniet, machen es Sempai und Kohai nach. Auch hier gilt eine genau vorgeschriebene Vorgehensweise: Man hockt sich hin, sodass die Schenkel ein V bilden. Gleichzeitig gleiten die Hände am Oberschenkel entlang bis zu den Knien. Der Rücken ist gerade, der Blick auf den Sensei gerichtet.

Nun berührt zuerst das linke Knie den Boden, dann folgt das rechte. Die Hände gleiten nun von den Knien zurück zu den Oberschenkeln. Die nun aufgestellten Füße werden hinabgestellt, sodass der Fußspann den Boden berührt und man bequem auf seinen Unterschenkeln Platz nehmen kann. Die Hände werden innereinandergelgt und gegenseitig umschlossen (ähnlich einer Schalenbildung). Bei richtiger Ausführung kann man so Stunden verharren. Der Rücken ist gerade, der Blick und die Aufmerksamkeit haften noch immer am Sensei. Die Knie sind zwei Faustbreiten voneinander entfernt.

Der Sempai führt nun weiter die Begrüßungsetikette durch. Nach einem Augenblick, in dem er sich der korrekten Haltung der Kohai vergewissert, gibt er das Kommando: „Mokuso!“. Daraufhin schließen alle die Augen. Die Meditation beginnt. Während der Meditation atmet man tief und fest ein. Man stellt sich den Ki-Fluss im eigenen Körper vor und stellt sich gedanklich auf das Training ein. Hier löst sich der Karateka gedanklich von der Alltagsroutine und bereitet sich auf das Karatetraining vor.

Hält der Sempai die Zeit der Meditation für angemessen, setzt er die Begrüßung fort. Es gibt keine verbindliche Zeitangabe für die Dauer der Begrüßungsmeditation. Der Sempai spürt, wann er und die Kohai bereit sind, das Training zu beginnen.

Der Sempai beendet die Meditation mit dem Kommano „Mokuso yame!“, woraufhin alle die Augen öffnen und spürbar laut durch den Mund ausgeatmen (finale Stoßatmung). Gleich darauf folgt das jeweilige Begrüßungskommando. In der Regel, wenn nur der Sensei anwesend ist, heißt es: „Sensei ni rei!“ Wohnen spezielle Ehrengäste oder Großmeister dem Training bei, wird ihnen zuerst, entsprechend der Rangordnung, Respekt gezollt.

Auf das Kommando „Sensei ni rei!“ erfolgt die Begrüßung. Sie sieht folgendermaßen aus: Die linke Hand wird zuerst auf den Boden abgesetzt, sodass die Handinnenfläche den Boden berührt. Nun folgt die rechte Hand; sie wird entweder daneben abgesetzt oder leicht über der linken Hand, sodass nur die Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger/Mittelfinger der rechten die Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger/Mittelfinger der linken Hand bedecken. Jetzt wird der Oberkörper gebeugt, dass die Stirn die Finger leicht berührt.

Während dieser Verbeugung im Knien sprechen Schüler und Meister den gegenseitigen Gruß „Oss!“ aus. Nach der mündlichen Begrüßung („Oss!“) richtet der Karateka den Oberkörper wieder auf, nimmt also die Haltung während der Meditation wieder ein.

Nun steht der Meister als erstes auf, dann der Sempai. Der Sempai gibt nun entweder ein Zeichen oder das Kommando „Kiritsu!“, dass sich auch die Kohai erheben mögen. Das Aufstehen erfolgt in umgekehrter Reihenfolge zum Abknien. Das heißt, das rechte Bein löst sich zuerst vom Boden und wird aufgestellt und im Stehen zum linken Fuß herangezogen, so dass man wieder im Musubi-Dachi steht. Die Handflächen liegen auf der Oberschenkelaußenseite.

Nun, wo sich alle im Musubi-Dachi gegenüberstehen, verbeugt man sich im Stehen und grüßt einander mit „Oss“. Der Oberkörper wird dabei in einem Winkel von ungefähr dreißig Grad gebeugt. Nach dieser Verbeugung ist die traditionelle Begrüßung abgeschlossen. Der Meister setzt nun mit dem Training fort.

Die traditionelle Verabschiedung im Training erfolgt nach dem gleichen Muster wie die Begrüßung.

 

Der Sensei behält sich beim Beginn und Ende jedes Trainings vor, ein verkürztes Reigi sharo im Stehen (Ritsu-Rei) durchzuführen.