Entwicklung der SHOTOKAN Stilrichtung

 

Der eigentliche Begründer des modernen Karate war Gichin Funakoshi, eigentlich von Beruf Hauptschullehrer, der unter verschiedenen Meistern in mehreren Stilrichtungen unterrichtet wurde.

Sein Stil basiert auf Matsumuras Shorin Ryu. Shoto war Funakoshis Künstlername und bedeutet Pinienrauschen – seine erste eigene Trainingshalle (im Frühjahr 1935 in Tokyo eingeweiht) wurde aus diesem Grund Shotokan genannt. Funakoshi kam 1922 im Alter von 55 Jahren allein nach Japan, wo er Karate im Rahmen einer Vorführung vorstellte. Auf vielfältigen Wunsch blieb Funakoshi in Japan, um Karate zu lehren. Unterstützt vom Begründer des Judo, Jiogoro Kano, legte er den Wert mehr auf die richtige innere Einstellung und die erzieherische Komponente des Karate.

 

Diese Bezeichnung wurde später für seinen Karate-Stil übernommen. Funakoshi’s Zielsetzung war:

Schulung von Geist, Charakter und innerer Einstellung.
“Bevor du den Gegner besiegst, musst du dich selbst besiegen.”

“Man kann sehr sehr lange trainieren, aber wenn man immer nur Hände und Füße bewegt und wie eine Marionette umherspringt, dann ist Karate nicht anders als Tanzen lernen. Man wird die Hauptsache verfehlen. Es wird so nicht gelingen, die Quintessenz des Karate-Do zu begreifen.”
~ Funakoshi Gichin, J. Hyams ~

Wichtig war ihm außerdem auch der Selbstverteidigungsaspekt des Karate. Von Funakoshi stammt die im heutigen Wettkampfkarate kaum mehr beachtete Maxime:

Im Karate gibt es keine erste Hand
(d.h. ein Karateka soll niemals, auch nicht präventiv, zuerst angreifen.)

 

Der Shotokan-Stil beinhaltet sämtliche ihm damals bekannten großen Stile des Ch`uan-fa (auch Kung Fu oder Kempo genannt), was man noch heute an den Verschiedenheiten der überlieferten Meisterkatas erkennt.

Funakoshis dritter Sohn Yoshitaka Giko entwickelte 1938-1945 als Hauptlehrer im Shotokan-Dojo tiefere und längere Stellungen und ab 1943 Gohon-Kumite, Sanbon-Kumite und Ippon-Kumite. Insgesamt ein dynamischerer und kämpferischerer Stil. Außerdem den Mawashi-Geri, Yoko-Geri-Kekomi, Yoko-Geri-Keage, Ura-Mawashi-Geri und Fumi-Komi. Kase Taiji Sensei entwickelte zeitgleich als Schüler Yoshitakas den Ushiro-Geri und den Keiten-Geri.

Professor Nakayama Masatoshi (1913-1987), Schüler von Gichin Funakoshi, studierte 1937-1946 unter anderem in China Kampfkünste. Er gründete 1949 an der Takushoku-Dai Universität mit Nishiyama und Takagi die Japan Karate Association JKA (Nihon Karate Kyokai). Nakayama entwickelte das Jiyu-Kumite welches später die Grundlage für den Wettkampf im Shotokan-Karate darstellte.

Die spezielle Form des Kumite ermöglichte eine realistischere Kampfsimulation und eine gute Grundlage für die strategische Analyse, die auch zur Verbesserung der Selbsteinschätzung führte. Die korrekte Ausführung der Techniken wurde durch die Schiedsrichter kontrolliert.

Nach dem Krieg war Nakayama Direktor der sportwissenschaftlichen Fakultät der Takushoku-Universität in Tokyo. So kam es erstmals zu einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Karate. Standardwerke wie das reich bebilderte “Dynamic Karate” und die mehrbändige Buchserie „Karate-Perfekt“ entstanden. Sportwissenschaftliche Zusammenarbeit mit Okazaki Teruyuki (* 1931) damals in der JKA, an der Universität von Long Island in New York. Entwicklung von Wettkampfregeln 1951 an der Waseda-Universität mit Oshima. Mitglieder der JKA waren u.a. Kase Taiji, Kanazawa Hirokazu, Enoeda Keinosuke, Tsuyama Katsunori, Shirai Hiroshi, Yahara Mikio, Kawasoe Masao, Tanaka Masahiko, Abe Keiko, Asai Tetsuhiko.

Mit der weiteren Entwicklung des Karate in Japan wurde die Bezeichnung Kara für China verworfen, und Karai wurde mit dem Schriftzeichen für leer geschrieben, wodurch das Karate von China formal unabhängig wurde, da es nun nicht mehr China – Hand, sondern Leere – Hand hieß.

Nach dem Tode Funakoshis spalteten sich die Anhänger Funakoshis in zwei Gruppen.
Eine ist die Japan Karate Kyokai, die andere die Shotokai von Egami. Egami Shigeru (1912-1981), mehr Mystiker, Schüler Funakoshis, lehnte Nakayamas Weg als zu sportlich ab und gründete 1958 das Shotokai Karate. Shotokai Karate veranstaltet keine Wettkämpfe. Die Katas sind mit den Shotokan-Katas weitgehend identisch.

 

Nach der Abspaltung der JKA veränderte Egami sein Karatekonzept, das sich bisher an Yoshitaka Funakoshis Auffassung anlehnte, wobei er beeinflusst wurde vom Aikido, Tai Chi Chuan, und Qigong. Heute zeigt sich das Shotokai mit extrem tiefen Stellungen, die zur Selbstverteidigung ungeeignet erscheinen. Hier unterscheidet sich die Shotokai stark vom dynamischen Karate der JKA unter Nakayama, die heute versucht zu ihren Wurzeln zurückzukehren.

Kanazawa Hirokazu (* 1931), gründete 1974 mit den Meistern Asano Shiro, Miura Masuru, Nagai Akio, Kawasoe Masao und Koga Rikuta die Shotokan Karate International SKI.

Professor Kase Taiji (*1929-2004)), gründete 1989 mit Meister Shirai Hiroshi die WKSA in Mailand, die 1999 in die Shotokan-Ryu-Kase Ha Instructor Academy überging. Nach Nakayamas Tod konnte er sich mit der immer weiter um sich greifenden Versportlichung des Karate-Do innerhalb der JKA nicht mehr identifizieren. Am 24.November 2004 starb Shihan Kase.